• Entschuldigen Sie, wo finde ich den Sonder-Bahnsteig, den die Bundesbahn für die Reisezüge nach Turin eingerichtet hat? nach rechts bitte...

    Heute Abend nach Turin!

     

    Wie schön, dass für das Public Viewing gesorgt ist - das Rheinufer ist bis auf einen schmalen Streifen nicht mehr zugänglich, dafür gibt es jede Menge Bierschwemmen und auch die Infrastruktur für die notwendigen Abläufe "steht", macht allerdings im Vorfeld einen surrealen Eindruck:

    Heute Abend nach Turin!urinale toitoitoi von rechtsWarum die Figürchen ganz rechts alle "Dixi" heißen und immerzu die Beine kreuzen, kann man sich denken, trotz der zahlreichen Einfüllstutzen (immerhin vier pro Container) wird man hier bei den Millionen, die zu so einer Filmleinwand am Rhein pilgern, ewig in der Schlange stehen.

    Wie der Mückenbefall ist bei den Flutlichtern, will ich mir gar nicht ausdenken. Und was passiert, wenn das Notausgangmännlein Reißaus nimmt und an all den Radaubrüdern und Suffköppen vorbeidrängelt? Hauptsache, für's Alter ist vorgesorgt und der Zivi bringt ein schnelles Helles.

    Das also ist aus dem guten alten Trimm-Dich geworden:Heute Abend nach Turin!

    Heute Abend nach Turin!Gut, dass es die wunderbare WM gibt, bei der es plötzlich mitten am Nachmittag (so wie jetzt, 17.00) ganz still in unserem Viertel wird, und nur noch eine einsame Tröte krächzt, wenn schon wieder ein Ball ins Netz gegangen ist, was, wie ich mir von Kennern sagen ließ, für die Inhaber des Netzes gar nicht so gut sein soll wie z. B. beim Angeln, wo das Gegenteil gilt. Wir gehen zu solchen Zeiten gern in den Park, wo nur wenige gleich uns Andersinteressierte zu finden sind, manche sind mit ihren Kindern oder Picknicken.

    Jedenfalls hoffen wir, dass die deutsche Mannschaft noch recht lange nicht ausscheidet und möglichst ins Finale kommt! Danke, danke, danke!!!!

     


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  • Vor kurzem haben wir auf Schloss Moyland mit Freunden eine Art Gartenflohmarkt besucht, wo Blick in die Kistenritzemeine Liebste sich von einem gewissen "Luis" eine gebrauchte Weinkiste aufschwatzen ließ. Mit dem Ergebnis, dass Eichhörnchen und Venusich den Rest des Weges die schildkrötenpanzerähnliche Kiste auf dem Rücken trug. Na schön, einer meiner Vornamen ist passend zu einem Kinderbuch der 50er Jahre - deswegen sollte ich auch nicht getauft werden dürfen, denn a) sei der Name heidnisch und b) der Autor des Kinderbuches Anarchist (allerdings war es nicht Erich Kästner, wie mein wie immer fast zu spät herbeieilender Vater versicherte, so dass die Ablehnungstaktik des taufunwilligen Priesters in Bröckeln kam) - kurzum, Kisten sollten eigentlich meine SHurra, die Kiste ist erklommenpezialität sein, und in der Tat stehen hier einige um den Computer herum, die vor allem Berge herausquellender Fotokopien einigermaßen im Zaum halten. Die o. g. Weinkiste kam erstmal auf den Küchenbalkon, wo sie eigentlich in der kalten Jahreszeit unsere nicht mehr ganz in den kleinen Eisschrank passenden Vorräte an Gemüse, Kohl, Kartoffeln etc. bergen sollte. Dazu diente bisher der Korb. Erst jetzt wird mir klar, dass so eine Kiste auch Ritzen hat wie der berühmte "Lattenzaun, um durchzuschau'n". Und einige neugierige Wesen, die schon seit Jahren unseren Küchenbalkon regelmäßig auf der Suche nach Brauch- und Eßbarem durchstöbern, ließen es beim Schauen nicht bewenden, sondern krabbelten hinein. Damit sie dort nicht ganz vergeblichEichhörnchen im Profil mit Walnuss nachsuchten, ließ ich wohl schon die ein oder andere Walnuß hineinrollen, bei meiner Lebensabschnittsgefährtin erweckte dies urplötzlich auch Interesse, sie kaufte weitere Walnüsse und schließlich auch eine Art Nager-Müsli - und siehe da, seitdem hat sich die Kiste als idealer Frühstücksraum für die Eichhörnchen entwickelt. Aber: Mit den Walnüssen ist das so eine Sache. Eichhörnchen sind zwar Kleinnager (glaube ich), haben aber gar keinen vorstehenden Nagezahn. Meiner Beobachtung nach gibt es unterhalb der stumpfen Schnäuzchen eine Art Mund, mit dem sie das Innere winziger Haselnüsse und konisch geformter Eicheln - vielleicht mit der ZSchwanz ragt aus der Weinkisteunge? - nach und nach herausfrinseln. Eigentlich haben Eichhörnchen auch ganz geschickte Finger, mit denen sie Nüsse um- und umdrehen und nach Löchern suchen. Dafür haben sie auch Hurrah, wir haben eine Eichhörnchenfalle!große, krallige Füße, aber laufen können sie mit denen allein nicht, dazu brauchen sie auch die Vorderpfoten. Wie sie die Nüsse ins Versteck transportieren, weiß ich jetzt auch! Mit diesem Mund saugen sie die Nuß an und rasen wie verrückt davon. Problematisch ist jetzt das Größenverhältnis Walnuß - Sparrenbreite der Kistenwand. Da kommen sie nicht mit durch, die Walnuß passt nicht durch die Ritze , und geraten gern etwas in Panik. Selbst wenn man die Kiste an der einen Seite freundlich aufmunternd anhebt, versuchen sie gegenüberliegend zu eEichhörnchen mögen Karrottenntwischen, wo ich nicht anhebe. Ich könnte diese Tiere also bequem in der Falle sitzen lassen, aber da ich nicht weiß, wie gebratenes Eichhörnchen zubereitet wird (Römertopf? Bräter?), lasse ich sie natürlich laufen. Inzwischen ist aber eine neue, neugierige Generation sehr kleiner Eichhörnchen da, vermutlich grade aus dem Nest gefallen. Sie sind winzig klein und gehen problemlos am unteren Rand der Kiste ein und aus, etwas angeschrägt habe ich sie aufgestellt zu diesem Zweck. Für diese Allerkleinsten - an den runden, meist wenig behaarten Ohren erkennbar - muss man sogar die Walnüsse noch vor-knacken, sonst kriegen sie die nicht auf. Wir bieten ferner eine Auswahl vom Nager-Müsli an, die Warten auf das Frühstück!allerdings nicht vollständig goutiert wird, ferner Eicheln, Hasel- und Walnüsse, und mit großem Erfolg Karotten. Auch Erdbeeren haben sie schon angenagt, sie sind aber nicht so ganz begeistert, so eine Erdbeere liegt eine Weile da. Begehrtes VogelhausNach dem großen Sturm habe ich mir von herabgestürzten Nadelbaum-Ästen die grünen Zapfen abgelesen, die größtes Interesse fanden und regelrecht zerfetzt wurden. (Sehr ordentlich sind diese Frühstücksgäste übrigens nicht, und nach ihnen kommt gern auch mal ein Fink oder eine Meise auf den Balkon statt ans Vogelhäuschen und bedient sich an den Resten.) Übrigens krabbeln die kleinsten der Eichhörnchen auch gern mal in den Vogel-Bereich, zum Futterhaus und zu dem ausgehöhlten und mit Moltofill abgedichteten Ast, an dem ein IKEA-Bleistift absteht, Eichhörnchen seitlich vor der Kistedamit sich unsere gefiederten Freunde aus dem Inneren die geschälen Sonnenblumenkerne picken und auf dem IKEA-Bleistift zerkleinern können. Da stecken Eichhörnchen die Köpfe durch das Loch und versuchen, das begehrte Knabbergut ebenfalls zu requirieren, was aber wohl nicht so ganJung-Eichhörnchen beim Fensterlnz gelingt. So kommt der hohle Ast zu Ehren, den ich eigentlich als Starenwohnung ausgehöhlt hatte, der aber bisher keinen einzigen Star an unsere Hauswand gelockt hat (wir wohnen zu tief, und ich sehe die Stare an der Rückseite des gegenüber der Wiese liegenden Schmierstoffe-Fachhandels, da nisten sie unter dem vorspringenden Dachfirst). Was aber nun die Eichhörnchen betrifft, die stellen sich jetzt täglich morgens ab halb sechs bis sieben ein, manchmal kommen sie auch noch mal nachmittags zu einem Imbiß vorbei. Meine Sammlung von ca. 4.500 Eichhörnchenfotos muss bald auf eine externe Festplatte ausgelagert werden (NEIN, ich tausche nicht gegen Katzenfotos). Des Nachbars MensHalsbandsittich am Vogelhauschenkinder, die morgens von der Ökomutter zur Garage begleitet werden, wo sie alle behelmt und in Funktionsklamotten ihre Fahrräder herausholen - Vater, Mutter, Sohn, Tochter - haben ihre Freude dran. Sie beobachteteGimpel am Baumhausn schon mal die Eichhörnchen, wie sie sich frech AUF das Vogelhaus setzten. Was ich im Winter füttere, weiß ich noch nicht; muss mal drauf achten, wenn im Herbst Bucheckern zu finden sind, denn ich habe gehört, die mögen sie. Kann man vielleicht auch einlagern... So macht man sich zum Fouragier stummer Gäste, aber dass sie ganz unkommunikativ seien, kann man nicht behaupten, immer wieder schauen sie mal herein und sehen uns zu, wie wir Zweibeinermüsli verzehren, oder blicken streng, mit einem deutlich vorwurfsvollen Ausdruck in den Knopfaugen, wenn es an Nüssen oder Nager-Müsli fehlt. Die Tür muss man ganz vorsichtig und leise öffnen, sonst laufen sie verschreckt davon (riskieren den Todessprung vom Balkon nach unten), aber wenn man ihnen die Nüsse vorher zeigt, ahnen sie, dass sich das Anschmeicheln gelohnt hat. Übrigens lassen sie sich nicht gern zusehen beim Essen, und mit dem Fotoapparat darf man auch nicht zudringlich sein. Haben sie einmal angefangen zu knabbern (sie werfen dann ihre buschige Schweifstola von hinten über sich, damit sie von Weitem für Bussarde als Igel durchgehen), verfallen sie allerdings in eine Art Nuß-Trance und mümmeln ungeniert weiter, bis die vollständig geleerten Schalen - zack! -  aus der Pfote fallen oder weggeschleudert werden. Und wer darf sie dann einsammeln? Der Frühstückswirt, also ich.


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  • Kein Bierey gelegtGottlob Benedikt Bierey war ein Breslauer Theaterpächter, Kapellmeister und Komponist im 19. Jahrhundert; er ist zumindest bei Wikipedia vertreten. Mit meinem alten Freund, dem genußsüchtigen Vielfraß und Shakespeare-Rezitator Karl Schall, hat er sich angeblich dauernde Fehden geliefert.

    Er schrieb Opern mit Titeln wie Donauweibchen oder Die Nixen-Königin. Dritter und letzter Theil. Ein romantisch-komisches Volksmärchen, Liebesabenteuer oder Wer zuletzt lacht, lacht am besten, Elias Rips Raps und Almazinde oder die Höhle Sesam.

    In seiner Oper Die Ehestandskandidaten, oder die Parodie aus dem Stehgreif  fallen Sätze wie "Sag mir, Mädchen, was soll das bedeuten? Hat die letzte Hundstagshitze meinem Onkel das Gehirn verbrannt?", und ein für allerlei alchemische Experimente aufgeschlossener Herr namens "Schwindel" probiert die Wahlverwandtschaften aus:
    "Nimm Lapis, tapis, crinis, cinis,
    Verbind's mit matis, salis, spinis
    Und lege Sulphur auch daran...
    Und was kömmt durch ihre Verbindung heraus?"
    worauf ein junger Mann, eben der Ehestandskandidat, antwortet:
    "Des schwarzen Raben goldenes Haus"
    während Röschen (beiseite) murmelt:
    "Ein Hochzeitkranz, ein Bräutigamstrauß."

    Der Komponist kommt sogar im Goethe-Zelterschen Briefwechsel vor, allerdings meint Zelter am 14. bis 15. Juli 1824 zu seinem Weimarer Freund: "Der Bierey ist weit genug davon, etwas Ordentliches vorzubringen.Schlussapplaus zur Oper Solange die Leute ernsthafte Opern schreiben, finden sie in den sogenannten Leidenschaften Gelegenheit und Entschuldigung für alles Reißen und Schmeißen, womit sie sich und andere quälen. An humoristischen Gegenständen erkennt man jedoch sogleich die ärmliche Natur, und so ist's auch mit der genannten Komposition..." Und die Allgemeine Musikalische Zeitung Nr. 20 vom 19.5. 1813, Sp. 338, mag ein von Bierey komponiertes Trinklied "weder gut noch schlecht nennen".

    Im Schlesischen Tonkünstler-Lexikon, enthaltend die Biographieen Vorhang der alten Kölner Operaller Schlesischen Tonkünstler, Componisten, Cantoren, Organisten, Tongelehrten, Textdichter Orgelbauer, Instrumentenmacher etc. etc. Nebst genauer Angabe aller Schlesischen musikalischen Institute, Vereine, Musikschulen, Liedertafeln etc. etc.  von Carl Kossmaly und Carl Heinrich Herzel ("Carlo"), Eduard Trewendt: Breslau 1846, S. 18 steht allerdings auch:

    "Biereys erstes Bestreben war, das Orchester zu verbessern, um so mehr da die Unordnung so groß war, daß die Musiker sogar nicht selten während der Vorstellung das Orchester verließen, um in einem benachbarten Bierhause ihren Durst zu stillen, und gewöhnlich zu spät oder gar nicht wiederkamen."

    Das erinnert dann gar sehr an den Fürsten Esterhazy, für den Bierey eine Messe Tanz um die Hochzeitstorteund einige Psalmen komponiert hat, die in der Esterhazy'schen Kapelle von Joseph Haydn aufgeführt wurden. Haydn lässt in der Sinfonie Nr. 45 (Hoboken-Verzeichnis), der sog. Abschiedssinfonie, die Musiker einen nach dem Anderen den Saal verlassen, vielleicht gehen sie zum Bier?

    Das Ende des Bierey war von Trinkkuren begleitet: "Nachdem er die Theaterpacht abgegeben hatte, suchte er seine, durch Arbeit – und mancherlei Kränkungen – gestörte Gesundheit, in Ruhe und Zurückgezogenheit, theils in Bädern theils in Weimar wiederherzustellen, kehrte aber im Jahre 1834 mit einem unheilbaren Asthma nach Breslau zurück, woselbst er am 5. Mai 1840 in einem Alter von 68 Jahren, in den Armen seiner Gattin ruhig und verpasste_schildersanft entschlief", schließt das Schlesische Tonkünstlerlexikon den ihm gewidmeten Artikel. (Sie hieß Sophie de Morell, und war eine tüchtige Sängerin bei der Secondaschen Truppe, für die er das "Donauweibchen 3. Theil" komponiert hatte.) Und jetzt kommt der Clou, allein seines Namens wegen schaffte es Bierey auch in das Konversationslexikon von Brockhaus, dem Wikipedia inzwischen den Garaus machte:

    Friedrich Arnold Brockhaus. Sein Leben und Wirken nach Briefen und andern Aufzeichnungen geschildert von seinem Enkel Heinrich Eduard Brockhaus. Zweiter Theil,  F. A. Brockhaus: Leipzig 1876, S. 141 f.

    Wie ein komisches Seitenstück zu diesem Erscheinen des Namens Metternich an der Spitze der dritten Auflage des Klotzbuecher Bier"Conversations-Lexikon" sei hier eine Anekdote eingeschaltet, welche dieselbe Auflage betrifft. In ihr befindet sich nämlich auch der Name eines Mannes, der diese Auszeichnung nur einem eigenthümlichen Umstande verdankte. Brockhaus, der jeden Bogen vor dem Drucke durchsah, fand, von einer Reise zurückkehrend, daß der Artikel "Bier" viel zu ausführlich behandelt sei; der Bearbeiter und auch der Redacteur Hain hatten sich dabei wahrscheinlich durch ihre persönliche Vorliebe bestimmen lassen. Brockhaus strich den Artikel zusammen, aber – der nächste Bogen war in einer andern Druckerei schon gedruckt! Da gab es nur das Mittel, einen Artikel ausfindig zu machen, der im Alphabet zwischen "Bier" und dem folgenden Artikel "Bièvre (Marschall)" hineinpaßte. Man suchte und – fand einen Componisten Bierey, Musikdirektor zu Breslau. Rasch wurde er eingeschoben, freilich um aus dem Werke, in welchem er unbeschadet seiner sonstigen Verdienste doch nur als Lückenbüßer gedient hatte, bald wieder zu verschwinden.


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  • Diese neue 3-D-Doku namens "Kathedralen der Kultur", die von  "(Deutschland/Dänemark 2014)" aus nächstens in die Kinos kommt  - ein zineastisches Zuckerschlecken. Wie abgedroschen klingt das denn! Klar, wenn die Regisseure des Films "Wim Wenders", "RKathedralen des Konsumsobert Redford" und "Michael Madsen" heißen. Alliterationen sind ja sooo 1980. Meinetwegen kann der Film von Gustav Gans produziert und von der Dagobert-Duck-Digitized-Documentaries Ltd. finanziert worden sein, ich geh nicht hin. Früher, na schön, da hat sich die Werbung wigela-weia mit Stabreimen durchgemogelt. Heute kehrt man zurück zum guten alten Endreim, wie damals der (doch nicht mehr allen bekannte) kegelförmige Feuerlöscher namens MINIMAX. "Feuer breitet sich nicht aus, hast du MINIMAX im Haus", worauf freche Kinder mit dem Abzählreim antworteten, Minimax sei großer Mist, wenn man nicht zu Hause ist, oder auch: Hast du Minimax im Keller, brennt der Dachstuhl um so heller.

    Der Reim schlägt nicht nur Alliteration und Zeugma, sondern auch die Metapheritis. In einem europapolitischen Manifest der Grünen, verfaßt u.a. von Claudia Roth und einer jungen Dame, die auf einem Bioland-Bauernhof aufgewachsen ist, las ich kürzlich die bedenkenswerten Zeilen: "Viel wichtiger und vordergründiger wird am Sonntag eine andere Frage verhandelt, und zwar: MettschweinGewinnt in Europa die Wurst – oder doch der alte Zopf?" Da war auch die Rede - und ich sah förmlich, wie die RednerIn bei den entsprechenden Worten beide Hände hebt und mit zwei Fingern so eine zweideutig-komische Geste, ein bisschen wie Hasenohrenwackeln macht, kurz, da war auch die Rede "von revolutionären Umstürzen zurück zu 'echten' Volksgemeinschaften, in denen 'richtige' Männer die Gesellschaft prägen, dienende Frauen sich zurückhalten und 'Fremdes' seinen Platz rechte- und würdelos am Rande einzunehmen hat". Dieser "alte Zopf" habe sich irgendwie von selber "schon vor der Wahl bis zu den großen Parteien durchgeflochten", die "identitätsstiftende Idee Europas" werde "aus Angst vor den Rechtspopulisten bereits auf dem Altar des Wahlkampfs ... geopfert", und da "sich selbst die Bundeskanzlerin nun in den Chor der Populisten einreiht", geben ihre Worte "dem alten Zopf also Recht". Aber diesem plumpen Versuch, die Dinge von den Füßen auf den Kopf zu stellen, sollten wir alle beim Urnengang am Tag des Herrn die rote Karte zeigen". Chor einreihen zum Zöpfeflechten und die rote Karte zeigen, indem die Wurst gewinnt? Schmeckt doch sehr nach Bioland, das denjenigen ein Trost ist, die das Motto "ich bin Vegetarierin außer bei Würstchen" ernst nehmen. Schön und gut, aber alleKonsumverweigerers ein bisschen outdated, Baby!

    Kathedralen des KonsumsGanz anders der familienfreundliche Besser-leben-Frische-Lecker-Point-of-Sale (kein Discounter, und zuletzt mit Glanzfotos von apfelrotbäckchenhaften, sommersprossen-rothaarigen Kindern aufgefallen, die sonderbare Wortspiele drechselten wie "dämlich frisch!"), der demnächst am Airport dieser Stadt zu einem gewaltigen Remmidemmi "mit den Highlights: Heino, Circus Roncalli Bühnenshow und DSDS-Gewinnerin 2014 Aneta Sablik" einlädt. Highno als Heileit? klingt natürlich auch wieder nach Assonanz, aber der Prospekt dieser Supermarktkette ist dafür auf den Reim zurückgekommen. Es fiel mir erst auf, als ich im Sonderangebotsprospekt diese merkwürdige Parole las:
    "Ein voller Wagen ist das Ziel".
    Häh? Les ich recht? Die meinen doch wohl den Einkaufswagen, und so viel nackte Gier hätte ich den Lebensmittelkonzernherren gar nicht zugetraut, dass sie schon in ihrer Werbung gleich sagen, worum es ihnen geht, nämlich, dass wir unseren Drahtgitterkorb auf Rädern möglichst hoch auftürmen. Es erinnert mich an das alte Lied der heute vergessenen Deutschrock-Gruppe "Eulenspygel", welches da lautet: 

    Konsumgewäsche in der PresseÄhrenfrau
    ein Image wird hier aufgebaut,
    und Du kriegst eine in die Fresse,
    wenn Du Dich nicht verführen läßt.
    Du mußt kaufen, kaufen, kaufen.

    Kotzt Dich das nicht an ?

    Weiße Zähne und Truthähne
    grinsen Dich von Säulen an.
    Illusionen für ein paar Kohlen,
    Lebensstil für teures Geld.
    Du mußt kaufen, kaufen, kaufen.

    Kotzt Dich das nicht an ?

    Jeden Tag ein neuer Wunschtraum, Mietpreisspirale
    suggeriert durch Wortes Macht.
    Bilder die Dich gierig machen auf
    Dinge die Du gar nicht brauchst.
    Du mußt kaufen, kaufen, kaufen...

    Ein voller Wagen ist nicht das Ziel, sondern natürlich erst am Ziel, wenn die Kasse ebenfalls voll ist, dann darf der Kunde mit dem Trödel abdampfen, bzw. sein Wagen, wenn's nicht grade so ein geländegängiger Großstadtdschungeljeep ist, wird zum Ziel ("ein voller Wagen"). In diesem speziellen Laden übrigens haben sie eine Filmüberwachung, bei der die Kassiererin seitlich sehen kann, ob ihre Kunden eine Laufmasche oder einen stibitzten Flachmann im Strumpf  haben. Die Verblödung und der Konsumidiotismus gehen heute unverstellt und nackt einher. Da können sie sich den ganzen Schnickschnack von "heute mal vegan", "Ernährung und "Krabbensalat genießen. Mit gutem Gewissen..." Noch etwas mehr Gewissen an den leckeren Krabbensalat, bitte. Und eine Prise Kafka!

    Dann aber fiel mir, beim Weiterblättern in dem Prospekt, noch etwas auf. Da waren überall so seltsam formulierte Sprüchlein, nein, ich meine nicht "jetzt tolle Ramba Zampa-Rezepte von Holger Stromberg probieren", sondern den seltsamen Gleichklang von "Pack was Buntes auf den Grill" und "An Pfingsten gibt's was auf den Grill" und "Von diesen Angeboten haben Sie viel" und "Mit jedem Einkauf sparen Sie viel." Merkwürdig eintönig, oder? Und da erst viel es mir wie Schuppen aus dem zertifiziert nachhaltigen Fischstäbchen: Hinter den Sprüchen war immer so ein Logo den Flaggen Deutschlands und Brasiliens, in die der Fotoshop-Grafiker die Worte "Ramba" in die deutschen und "Zamba" bei der brasilianischen Farben hineingeschnippelt hatte, dahinter fanden sich die Worte "do Brasil". Wenig Pril - hilft viel, daher die Reimerei, und zwar im Gertrude-Stein-Stil etwas monophon-seriell wiederholend. Das ganze sollte sich als eine Folge gereimter trochäischer Vierheber lesen, die man als Zweizeiler wie folgt anordnen kann, die jeweiligen poetischen Anlässe nenne ich in Klammern dahinter:

    Pack was Buntes auf den Grill.
    Ramba zamba do Brasil
    (Exquisites Salatquartett und Hähnchen-Grillplatte)Kathedralen des Konsums
    An Pfingsten gibt's was auf den Grill.
    Ramba zamba do Brasil
    ("Leckere Grillangebote im Innenteil")
    Von diesen Angeboten haben Sie viel.
    Ramba zamba do Brasil
    (Delikatess-Hinterkochschinken mild im Geschmack) 
    Große Auswahl. Sparen als Ziel.
    Ramba zamba do Brasil
    (Käsewürfel "mild & nussig")
    Ein voller Wagen ist das Ziel.
    Ramba zamba do Brasil
    (Feinjoghurt versch. Sorten)
    Deutschland spart. Im großen Stil.
    Ramba zamba do Brasil
    (Spargelfertiggericht)
    Deutschland sammelt. Mit viel Gefühl.
    Ramba zamba do Brasil
    ("Pro 10 Euro Einkaufswert 1 Sammelkarte GRATIS", außerdem beim Kauf eines Albums)Heinolieder von Jörg Brummack
    Diese Preise machen das Spiel.
    Ramba zamba do Brasil
    (Hühner- und Buchstabensuppe in Tüten)
    Sich was gönnen kostet nicht viel
    Ramba zamba do Brasil
    (Kindgerechte Schokoriegel und kinderfreundliche Schoko-Bonbons)
    Der beste Preis.
    Von München bis Kiel.
    Ramba zamba do Brasil
    (Sixpacks mit koffeinhaltigem Premium Pilsner Alkoholfrei bzw. mit Alkohol)Kathedralen des Konsums
    Mit jedem Einkauf sparen Sie viel.
    Ramba zamba do Brasil
    (mit C geschriebener Orangensaft)

    Das war's, danach kam nix mehr Gereimtes in dem Prospekt. Aber ich bleibe dran, vielleicht geht es nächste Woche weiter! Wie bei den Wetterberichten damals in der FAZ geht der wahre Lyriker heimlich zu Werk und bleibt lange unentdeckt. Wie alle guten Gedichte sollte man dieses auch laut lesen, vielleicht am besten ein heiterer Runde, vom alkoholhaltigen Koffeinpils in Stimmung gebracht, sollte ein Vorsänger die erste Zeile intonieren: "Deutschland spart. Im großen Stil..." und dann fällt ein Chor aus voller Kelle ein: "RAMBA ZAMBA DO BRASIL", oder - weil man ja gern mal was vergisst - man wiederholt diese Zeile, jede Zeile des Vorbeters, wie damals auf der Friedendemo ("Atomraketen? vergeudete Moneten!"). Der Erfolgssänger mit dem Markenzeichen Sonnenbrille könnte es singen, auf dem Airport-Remmidemmi ("Kochwettbewerbe"!), der Roncalli-Zirkus mit dem Clown Zippo, letzterer neuerdings zum "Kulturbotschafter des Landes NRW" ernannt, und die Detuschlandsuchtdensuperstar-Mieze machen dazu eine Tanz-Performance. Oder der ganze Kundenstamm (die "family" mit der Glückskarte und den vielen Vorteilspunkten) trifft sich in mondhellen Nächten am Traktorentanzplatz, auf verlassenen Public-Viewing-Thingstätten, entzündet das Lagefkk Vignette Presseschaurfeuer des Medienmarschalls McLuhan, und brüllt im Stil der "Heldischen Feier" eines Gerhard Schumann:

    Einer: Wie Narren sind wir einsam angetreten.
    Grell schwirrte Hohn auf, gellte Schimpf und Scherz.
    Wir aber glaubten. Denn da half kein Beten.
    Wir wußten nur: in uns schlug Deutschlands Herz.Kathedralen des Konsums
    Alle: Wir wußten nur: in uns schlug Deutschlands Herz.
    Einer: Wir haben nicht das Mögliche erwogen.
    Und noch die Sterne schwangen uns zu nah.
    Das Ziel, nach dem uns Traum und Wille flogen,
    Zwang als Gesetz, das über uns geschah.
    Alle: Das Ziel, nach dem uns Traum und Wille flogen,
    Zwang als Gesetz, das über uns geschah.
    Einer: Und was die Weisen mitleidvoll belachten,
    Das schmolzen wir in unsrem Blut zu Stahl.
    Die müden Achseln zuckten voll Verachten.
    Die wurden bei dem Glanz der Waffen fahl.
    Alle: usw.
    Einer: Denn aus dem Raum, wo Blitz und Donner wachsen,
    Und wo die Sterne stürzen aus dem Nichtsalles sauber
    Und wo das Weltall stürmt um seine Achsen
    Fuhr einer zu uns, leuchtenden Gesichts.
    Alle: Hielt leuchtenden Gesichts
    Tafeln des Gerichts!
    Wehende Fahne des Lichts!

    Na, und wer mag das wohl gewesen sein? Das Eichhörnchen war es jedenfalls nicht, und auch nicht Moses, der kam von einem Berg runter und hatte Gesetzestafeln, fürs jüngste aller Gerichte ist demnach noch eine Weile Galgenfrist. Aber das ist eine andere, ungereimte Geschichte...


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