• Da meine Frau gerne Blumen kauft und mir, ob Möbelhaus, Lidl oder "Dingens" Garten-Center Morning-Glory-Keimlingeam allerbesten immer das bis zu soundsoviel % ermäßigte Restgemüse aus der "Fundgrube" gefällt, haben wir uns damals diese Wicke namSamenkapsel der Morning Gloryens "Morning Glory" angelacht, die dann zu unserer Überraschung jeden Morgen andersfarbige Blüten aufpoppen ließ (wie schon früher in diesem Blog berichtet). Letzten Sommer hinterließen diese Blüten trockene, von zartpergamentener Haut umschlossene Bollen an den dürren Stengeln. Darauf wurde ich noch pfennigfuchserischer und sammelte die darin befindlichen Körner. Mich erinnerten sie ein bißchen an Mäuseköttel (ohne deren strengen Geruch) oder diesen Schwarzen Pfeffer, der nicht in die Mühle passt. Ich verschloß, was ich da sammelte, in einen Umschlag, den ich allerdings viel zu spät, erst im März oder so öffnete. Doch trotz später Aussaat in Probierkästchen wuchsen Keimlinge heran, die ich mal hier-, mal dorthin setzte (der Platz reichte hinten und vorne nicht, weil ich dasselbe mit gesammelten und auf der Heizung getrockneten Tomatenkernen machte, gut so, denn später raffte allerdings das nasskalte Wetter viele Setzlinge beider Arten dahin). Nun ist der Sommer auf Siedepunkt, und siehe: Mein erstes Samen-Banking darf als Spekulationserfolg gewertet werden, es bescherte uns eine blickdichte vierte Wand auf Terrasse & Küchenbalkon. Bin ganz stolz, denn ich habe einen Freund in Göttingen, der Samen der Morning Gloryseit Jahren das Schwarze Meer zu Fuß umrundet, immer so ein paar Wochen hintereinander, und auf den Märkten in den diversen Ostbalkanstaaten sich gern blindlings, ohne zu wissen, waKletterwicke Terrassenseites dabei herauskommt, irgendwelche Samen kauft, das würde mir auch Spaß machen. Er hat allerdings einen ganzen Garten zum Experimentieren, wir nur die paar Meter Balkongeländer.

    Die Morning Glory ist eigentlich anspruchslos und, was das Herausfinden von spiraligen Kletterpfaden betrifft, sehr raffiniert. Die verdammten Schlingarme lassen sich nur ungern woanders hin bugsieren, brechen dann schon mal ab, aber manchmal folgen sie auch vorgeschriebenen Wachs-Wegen. Nur daß sie jetzt anfängt, den Küchenbalkon des Ehepaares über unserer Wohung zu erobern, hab ich dem Kriechgewächs verboten. Jedenfalls biege ich die Spitze immer in andere Himmelsrichtung, zu den Balkonstreben, alle paar Tage wieder. Durstig ist die Morning Glory auch noch, vor dem Urlaub haben wir wohl täglich morgens und an den ganz heißen Tagen auch abends je eine ganze 3-4 Literkanne in jeden Blumenkasten gekippt, in dem sie saß (3 insgesamt, darunter ein großer). Im Urlaub haben wir die Kästen mit Tonkügelchen aufgefüllt und per Flaschenzufuhr (nicht-bepfandete Plastikpullen, deren Deckel ich mühsam mit der heißen Nadel perforierte).Morning Glory auf dem Küchenbalkon Unser Neffe besserte sein Taschengeld diesmal nicht durch das Zurückbringen der Flaschen auf, sondern indem er ein- oder zweimal die Woche nach unseren Balkonpflanzen guckte. Trotzdem war die MornMorning Glory-Kapseln, Nahansichting Glory auf der straßenwärts gelegenen Terrasse im Wüstenplanet-Wetter ziemlich angegilbt. Hinten heraus nicht so, da ist's schattiger, und der Kasten hat ein Wasserreservoir. Allerdings blüht die Wicke auf dieser (Hof-)Seite nicht so heftig.

    Ich bin weiß Gott ein Großstädter und Pflastertreter und hatte in Biologie immer Minus. Hätte das mein im Einschulungsjahr verstorbene Großvater (Biologielehrer) geahnt, er hätte vermutlich seinen Krückstock auf meinem Buckel tanzen lassen: kurz, ich habe eigentlich keine Ahnung. Aber dass diese blättrigen Knubbel mit den daraus hervorkullernden schwarzen Schrotkugeln nichts anderes sein konnten als Samenkapseln, das kann sich auch ein naturwissenschaftlich eher suboptimal ausgestattes Hirn wie meines denken. Diese Samen sehen ja auch aus wie die sprichwörtlichen, die in "have you got balls" gemeint sind, oder? Und jetzt kommt auch noch Mathematik und Ökonomie ins Spiel: aus der einen gammeligen Fundgruben-Morning-Glory von 2011 haben wir diese prächtigen Kletterplantagen hervorgezaubert, dieses Jahr ist ein vielfaches an Samenkugeln zu ernten, weshalb wir den Dschungel aus herzförmigen Blättern 2013 noch weiter verdichten können. Es sieht übrigens zu niedlich aus, wenn Bienen ankommen und in diesen schillernd pinkfarbenen, weißen, gestreiften etc. Blüten verschwinden um zu tun, was die Bienen und die Blumen eben so tun. Spielt sich nicht alles, was Spaß macht und die Fantasie anregt, seit Platons Zeiten in irgendwelchen Höhlen ab? Für die Bienen ist die Morning-Glory-Blüte wie eine schrille Ganzkörper-Umhüllung aus flauschiger, weicher, duftenderMorning Glory vor dem Terrassenbalkon Masse, als würden sie von der Blüte geradezu verschluckt. Apropos, wenn jemand da draußen was abhaben möchte von den Kugeln, nur zu, für uns werden sie immer reichen und möglicherweise viel zu viel werden!

    In diesem Frühjahr kam meine Frau mit einem anderen Gewächs an, in dem steckte eine Plastikkarte mit der Aufschrift "Frauenmantel" - schön und gut, was da aber herauskam, ist kein Frauenmantel, sondern, o Wunder, noch eine verschiedenfarbig blühende Blume (wsog. Falscher Frauenmantel, wohl Glockenblumeeiß und lila, im Bild sind nur die letzteren zu sehen, das Grünzeug dazwischen haben Finken & Meisen ausgesät). Sie schlug mit starken Trieben nach der Seite aus, mehr staudenartig, und war damit die ideale Ergänzung für die stets nach oben klimmende Morning Glory. Heute hatte ich ein paar von den inzwischen vertrockneten Stängeln abgemacht und wollte mal nachgucken, wie man an die Samen herankommt. Das brachte mir den größten Lacher des Tages. Während der Mensch es bis heute nicht geschafft hat, O-Saft oder Milch in Packungen zu liefern, die man bequem und kleckerfrei aufmachen und leeren kann, leistet die Natur wahre Wunder der Verpackung. Die Blüten dieser unGlockenblume, Samenerntebekannten Art, ich nenne sie mal "falscher Frauenmantel", welken ab und es bleibt der "Unterbau". Dieser hBlütenunterbau mit Austrittslöchernatte ein Loch (ich dachte schon, die wären von Insekten angefressen), hinterher entdeckte ich noch zwei und jetzt kommt der Clou: da braucht man nichts aufzuschneiden oder zu zerkrümeln, es reicht, auf die Pflanzenteile zu klopfen (mit der Schere oder was sonst grade zur Hand ist), dann rieseln da so kleine, unter der Lupe glänzend wirkende Körnchen heraus, sehen ein bißchen aus wie zu klein geratener Leinsamen. Vielleicht ist das ja eine der Leinsaat verwandte Art? Na schön,  zwei von den Körnchen wurden unversehens lebendig und liefen als Käferlein übers Papier, ansonsten war das wohl der Samen, den ich suchte. Und während der Knabe oben, jetzt fast ein Dreivierteljahr alt, glaube ich, schluchzte und schrie, weil die lüsterne, den Balkon erklimmende Morning Glory-Schlingpflanze aus dem Erdgeschoss den haarigen, grünen, knochenlosen Arm nach seiner Wiege ausstreckt und über kurz oder lang das zarte Babyhälschen unerbittlich umklammert halten wird, bis, ja, bis.... garghl! ...  saß ich ahnungslos in der Küche und klopfte diesen Krümelstaub aus den dafür vorgesehenen Austrittslöchern der Kapseln. Das kommt alles, ebenso wie Dill & Kerbel, in beschriftete Briefumschläge. Anfangs machte ich mir noch die Arbeit und versuchte, trockene Blättchen und Zweiglein und andere Bestandteile des Fake-Frauenmantels abzutrennen, dann merkte ich, wie man diese winzigen Samen auch sehr gut aussieben kann. - Und wenn von dem kugelig rollenden wirklich was auf den Boden fällt? um das Schlimmste zu "verhüten" - siehe Bibelstelle im Titel - gibt es ja Kehrschaufel & Besen...


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  • Folgendes fand sich unter François Villons nachgelassenen Papieren:

    Kodizill zu meinem Testament
    Nur der Autorengruppe Faust,
    vor der's mir nachgerade graust,
    werd' keine Träne nach ich flennen:
    die soll sich ELLENBOGEN nennen.
    Da durften wir uns engagieren -
    so lang', bis andere regieren!
    Intrigen hat man fein geknotet,

    mich aus der Lesung ausgebootet,
    für die - ohn' einen Pfennig Gage -
    man um mich buhlte, als Staffage
    mit meinen messerscharfen Liedern,
    als Moderator, der auch singt,
    mich bei Poetlein anzubiedern, 
    deren Hautgoût vom Halse stinkt.

     
    Ihr Schweigen war dann sehr vernehmbar
     als (bloß aus Panik vor der GEMA)
    die Wirtin namens Karakotz
     vier Reimeschmiede zum Ersotz
    huldreich auf ihre Bühne ließ,
    und Franz Villon die Türe wies
    .
    Dummstolz elender Fälscherkunst
    hat meinen Titel noch verhunzt,
    den sie sich stahlen, wie zum Hohn,
    für ihren Auftritt ohne Lohn.
    Doch von der allerletzten Lesung,
    die ich mit Brechreiz still verlasse,
    blieb nur Miasma der Verwesung
    im einstigen Puff der Glockengasse.

    Nicht auszuhalten der Gestank war!
     Wer schleimt, schafft an im "Casablanca".

     


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  • SAMSTAG, 17. März
    Heidelberger Hauptbahnhof, Nahverkehrszug Richtung Osterburken 11 Uhr 22 Gleis 4 b. Ein früherer Anschluß war nicht zu kriegen, von Köln aus. Den Klampfenkoffer ins Gepäcknetz, Beine auf den Sitz. Schulkinder, eine gackernde Meute, stürmten bisweilen das Abteil, um an namenlosen Bahnstationen wieder davonzuströmen. Wenn es Namensschilder gibt, enden sie auf -ach,-au-, -ingen und -burken. Einen guten Wein soll es hier geben. Der Neckar: eine faulbraune Flut; dürre Bettelsträucher hängen voll Trübsinn ihr Gelumpe hinein. Grüngewellte Hügel ringsum, säuberlich mit Obstgärten und Dorfkirchen bestückt. Weiße Magrittewolken werden auf blaßblaue Leinwand getürmt: Postkartenglück für den Großstädter.

    ADELSHEIM (Nord),
    natürlich doch am falschen Ende gelandet. Noch drei Kilometer bis zum Ort, erfahre ich von einem blonden Jüngling, bevor sein Moped ihn murrend wegträgt. Wind zerrt an den Klamotten. Ein frisches Plakat pappt am Wartehäuschen: "Bitte entnehmen Sie die Teilnehmer der Tagespresse". Sehr erfreut (was liest man denn hier so??).
    Der Kongreß macht Mittag im "Löwen". Mich kennt keiner, schmuggle mich an einen Tisch, dämpfe meine Menschenangst mit überlauten Worten (wie sonst mit Liedern - ). Stephan Rögner sieht ganz anders aus, als ich dachte. - Man bringt mir zu essen.

    ABENDS.
    Schon wo viele Gäste sind, ist viel Pack. Dreiundzwanzig aktive Liederdealer versammeln sich hier. Die einen wißbegierig, in Lumpen & Loden, mit mühselig zerfusselten Liedern und wenig Bühnenerfahrung. Die anderen leicht geglättet, den ersten Stapel Platten unterm Arm, Insidergrinsen und mediengerechte Diskussionsbeiträge. Der große Haufe zwischen den Extremen. Das Fernsehen war so, wie das Fernsehen eben ist. Bei fünf Minuten Regionalprogramm bleibt auch von der penetrantesten Profilierung (gottseidank) nichts übrig.
    Allerdings wirkt kein einziger so professionell, daß er ein solches Treffen nicht nötig hätte. Was dem Neuling sehr sympathisch ist.
    Zentral-Haupt-Über-Problem No. 1 (eins): Wie zum Teufel lernen wir, auch in großen Gruppen zielsichere, demokratische Arbeitsgespräche zu führen? Bis jetzt bloß verkrampftes Gehader, in dem der Kaffeeklatsch mit Sahne stark durchschmeckt. Fühlt sich der - stets als Einzelkämpfer ausgebildete! - neukommende Liedermacher in seiner individuell-künstlerischen Zwangsjacke besonders wohl? Liegt es daran, wenn uns das Gespräch so oft in Umwege, Einbahnstraßen, Sackgassen lockt?
    Hier und da dämmert Unmut. Themenvorgabe, straffe Diskussionsleitung etc. wird gewünscht (= der starke Mann?). Einige fahren nach Hause. Die meisten Workshops sind ausgefallen.
    Eben. In unserer Kindheit wurde, selbst bei liberalster Erziehung, alles Organisatorische von Oben entschieden. Heute sind wir erwachsen, wissen alles besser, stellen uns Ansprüche und wollen mitmischen. Kein Wunder, wenn's drunterunddrüber geht: wo haben wir je gelernt, in der Gruppe ohne Führer und Vormacher auszukommen? Also kein spezifisch künstlerisches Problem: in Bürgerinitiativen ohne "Parteiführung" dasselbe. Ein zeitraubender Lernprozeß, über den keiner jammern sollte. Mir ist das unordentlichste Geschwafel lieber als die monophone Vorlesung.
    Zweite Erkenntnis: Wer Stellung nimmt, ohne Bescheid zu wissen, neigt (auch ungewollt) zum Vorurteil. Die allerorts unerfreuliche Entwicklung unseres Staates - heimliches Grundthema in allen Gesprächen - macht es verdammt schwer, Vorurteile zu vermeiden, indem wir den Mund halten, wenn wir keine Ahnung haben. Die Leute im Knast sehen folglich vieles ganz anders und müssen uns zudem noch aufklären!
    Leider sind wir in der Überzahl und hören bloß immer von ihnen. Wer eine Knaststudie machen wollte, ist schlecht beraten. Die reformfreudige Adelsheimer Anstalt - mit Haftstrafen bis höchstens ein Jahr - ist gewiß kein besonders übel-abschreckendes Sozialghetto. Aber grade drum!, wegen ihrer Alltäglichkeit, eine Herausforderung an unser Können (der Durchschnitt ist im Lied viel schwieriger zu gestalten als das Extrem).

    DAS KONZERT.
    Viel zu viel, und von allem zu wenig. Ein friedfertig gewaltloser Sängerkrieg, der nicht mit einer Mundvoll Sätze zu beschreiben ist. Jeder verläßt sich auf das Standard-Material Gitarre / Gesang / Mundharmonika, allenfalls Flötenbegleitung, und versucht damit sein Bestes. Währenddessen stehen wir in Kleingruppen und tauschen den Eindruck aus (nicht ohne zu lästern!). Ich höre hin und stelle fest: Habe noch viel zu lernen. Besonders bemerkenswert: Ein jeder hat einen eigenen Stil, Doubletten gibt es heute abend nicht.
    Mein Auftritt war ziemlich am Ende, bis dahin schnorrte ich allerhand Flüssiges, daß der Sopran geschmeidig werde. Zu diesem Zeitpunkt, elf-halbzwölf, gefiel mir die Stimmung am besten. Die Zuschauer klebten an den Sesseln oder lagerten auf dem Boden, bewunderungswürdig in ihrer Gier und Ausdauer, und ganz Ohr.
    Ungeheure Nikotinschwaden wälzen ineinander, geistern durch den Hitzekegel der Beleuchtung. Drei Tonbänder mahlen unaufhörlich und gleichgültig mit ihren Magnetzähnen. Zuweilen zuckt ein Fotoblitz. Zwischen Instrument und Kabel geklemmt wie ein Astronaut, schwitze ich auf dem Delinquentenstühlchen und gröhle mir einen ab. Viel zu hektisch und nervös - doch der gar kostbare Zwischenapplaus war Salbe für meine zerfransten Nerven.
    Nach dem Konzert wurde im Jugendhaus gefeiert. Unsere hilfreichen Gastgeber standen wieder hinter der Theke. Für ihre Freundlichkeit möchte ich besonders danken. Nach fünfzehnhundert Worten kroch ich treppauf zu meiner Schlafcouch. Mein Hirn schwamm in Rotwein, und ein flüsterndes Bächlein leitete mich in den Schlaf.

    SONNTAG, 18. März.
    Bahnhof Waiblingen. Schmatzende Wolkensaurier werfen die ersten Regentropfen. Halbe Stunde Aufenthalt, während die Müdigkeit mein Denken eintrübt.
    Die Diskussion heut vormittag, zwischen Publikum, Knastleuten und Liedermachern war gewiß die ergiebigste. Neben einer nützlichen Kritik ging es mal wieder um Lieder & Politik. Ob im Lied die Gesellschaft kritisiert werden müsse. Ob auch Alternativen geboten werden sollten. Ob der Sänger in den Pausen (oder in den Texten) zur massenhaften Unterstützung realer historischer Bewegungen (DKP) aufrufen solle. Da flogen die Fetzen. Und manche Tür stand sperrangelweit offen, um eingerannt zu werden.
    Ich war erstaunt: hier war keiner, der sich um die Notwendigkeit politisch engagierter Lieder drücken wollte. Niemand hat vor, im stillen, fensterlosen Kämmerlein beglückende Blümchenverse zu schmieden. Jeder fühlte die Verantwortung vor dem Publikum so überschwer, daß seine Zuschauerin über zu viel Stirnfaltigkeit in den Problemliedern vom Samstagkonzert klagte.
    Und genau da liegt der Haken. Vom Lied wird allerhand verlangt: aufrichtig und kritisch, musikalisch einwandfrei und originell etc. soll es sein (möchte wissen, wieviele Bestseller-Literaten sich vergleichbaren Ansprüchen aussetzen!).
    Aber das Lied ist doch keine politische Medizin, hat doch keine schlüsselfertigen Lösungen zu verschenken - da muß der Zuschauer schon selbst für sorgen. Oder sind wir die großen Polit-Gurus? Seid doch mal ehrlich: Wir können bloß Nasen, Augen, Ohren offenhalten, unsere Erfahrungen wiedergeben, unsere - ganz persönliche - Parteilichkeit vermitteln. Möglicherweise machen es sich manche mit ihrem Handwerk zu leicht! Man darf von uns erwarten, daß wir über unseren mittelständischen Alltagshorizont hinausgehen. Wir müssen unserem Publikkum von der geschichtsabgewandten Seite der Gesellschaft berichten können (z. b. Knast), selbst wenn es das nicht gern hört. Doch ein allzu aufgeblähter Anspruch verhindert den Spaß an der Sache, ohne den keiner mitgeht.
    Mit solchen Ansätzen im Kopf liefen wir nach dem Mittagessen auseinander. Vorher wurde noch manche Telefonnummer ins Notizbuch tätowiert, und Festivals werden verabredet. Man sollte ganz andere Sachen organisieren... mit Puppen und Masken arbeiten... endlich mal über Auftrittsbedingungen sprechen...
    Alles fürs nächste Mal.

    Nachtrag: DIENSTAG, 3. April.
    Und schon schwimme ich wieder in der kleinlichen Alltagsarbeit, finde kaum Zeit zum Musizieren... Vor einigen Tagen trafen freundliche Briefe ein, aus Offenbach, Frankfurt und Berlin... Sogar ein Teller Kartoffelsalat ist mir sicher, da sag ich nicht nein. Für mich eine Neulingserfahrung, denn hier herum hat's kaum Liedermacherkollegen oder wenn, dann spielen sie mehr Irish Folk oder Rockjazz. Und im Großstadtlabyrinth verläuft man sich. Ich werde Nichtkölner!!!
    Zwei Zitate:
    1. Wo man singt, da laß dich ruhig niederschlagen. Deutsche Sänger lieben keine Zwischenfragen. (Arnfried Astel)
    2. ...muß gestehen, daß mir diese melodischen Popsongs mit ihren differenzierten Stimmungen und den manchmal sentimentalen Untertönen legitimer erscheinen als die oft verlogenen Produkte deutschsprachiger "Liedermacher" mit ihrer "Aussage"-Wut und dem dilettantischen Geklimpere auf Gitarre oder Klavier. (Franz Schöler über die neue George-Harrison-LP, ZEIT 2.3.1979)
    Müssen wir uns das bieten lassen? Ich denke nein. Das Treffen hat gezeigt, daß zumindest die Newcomer bereit sind, einem hohen Anspruch an ihr Können nachzukommen.


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